Alter Wein in renovierten Schläuchen?

Das Crossmedialität das Zauberwort momentanen Medienschaffens ist, ist kein Geheimnis. (Vermutlich ist es vom nächsten Hype sogar schon wieder abgelöst und der kunstfeler ist nur nicht up to date.) Ressourcen bündeln ist das Gebot der Stunde, welches nicht nur für effektives Arbeiten und Nutzung von Synergieeffekten, sondern praktischer Weise auch oft für Stelleneinsparungen sorgen soll. Vorn dabei im Bereich großer Medienhäuser ist dabei der Mitteldeutsche Rundfunk: Trimediale Redaktionsarbeit soll für eine enge Verknüpfung von Radio, Fernsehen und online-Bereich sorgen. Und um das besonders deutlich zu machen, verpasst sich der MDR erst mal ein neues Gewand: Radikale Namensänderungen stehen ins Haus. Mal wieder, möchte man meinen: Während MDR INFO, der Nachrichtensender des Mitteldeutschen Rundfunks, seine erste Umbenennung (in MDR Aktuell) erfährt, heißt es für MDR Figaro: Back to the Roots! ab dem 2.5. (6 Uhr früh) heißt der Radiosender dann wieder so, wie er von 1992 bis 2004 hieß: MDR Kultur. (Liebe MDR’ler: Falls ihr jetzt einen konstanten 12-jahres-Rhythmus einhalten wollt, freue ich mich schon auf die Erklärung zur Umbenennung im Jahr 2028!)

figaro

Während man 2004 noch darauf setzte, mit „Figaro“ auch Publikum anzusprechen, dass sich von tradierten Begriffen wie Kultur und Klassik etwas abgeschreckt fühlt, scheint man wohl jetzt die Kernzielgruppe doch wieder eingrenzen zu wollen. Zudem vertrat man die Auffassung, dass „Figaro“ ein breiteres Spektrum abbilden sollte als das, was (mit zu engem Blick) von vielen unter Kultur verstanden wird: hehre Klassik. Seit 2002 bereits gab es mit MDR Klassik einen wenig moderierten und musikalisch (im Vergleich zu MDR Figaro) eher eng gefassten Sender, dessen, möchte man denken, entspannter kleiner Bruder MDR Figaro werden sollte. Rund um den Namen wurde die restliche Identität des Senders gestrickt: Das Vormittags- bzw. Nachmittagsprogramm mit Figaro am Vormittag und Figaro am Nachmittag, das Kinderprogramm mit „Figarinos Fahrradladen“, außerdem Rubriken wie die „Figarothek“ und Figaros Recherchen. Und natürlich „Mein Figaro“, die gar nicht mal unaktive online-Community des Senders. Mit deren Einbindung ins Samstagnachmittagsprogramm hat der Sender die Verknüpfung von online und Radio, auch wenn die altersmäßige Zielgruppe schon noch ziemlich klar nicht bei den Digital Natives liegt.

Klar lag es nahe, dass der Name von vielen mit Mozarts Oper in verbindung gebracht würde, aber gleichzeitig, so meine ich mich zu erinnern, gab es ein Statement, das besagte, das Programm sei eben auch unterhaltsam und vielfältig wie ein Besuch beim Friseur, äääh, Figaro, mit entsprechender Unterhaltung. Weniger gezwungen sollte alles werden, irgendwie entspannt. Klar, da kommt leicht der Weichspüler-Vorwurf, denn auch MDR Figaro hat eine Klassik-Heavy Rotation (von wem ist eigentlich dieses Fagott-Konzert, was man da ständig hört?). Und damit einher geht auch eine publikumsorientierte Prägung der gesendeten Werke. Das soll aber an dieser Stelle nicht Ausgangspunkt der Diskussionen sein.

Was ich mich eher frage: Warum gibt der MDR, der natürlich gern seine eigene Marke stärken will, eine so gut ausgebaute Marke einfach auf? Laut Pressemitteilung soll sich an den Inhalten des Senders nichts ändern, lediglich der Name soll ein anderer werden. Aber wie wird das mit den Sendungen, mit Namen und Rubriken? Es ist davon auszugehen, dass sich die Moderatoren nicht ändern, auch wenn die Redaktionen vermutlich noch enger zusammengefasst werden. Wie sensibel Radiohörer sind, zeigt sich nicht erst seit dem Zoff nach der Umgestaltung von hr3. Wie genau alles umgesetzt wird, zeigt sich dann ab dem 02. Mai 6 Uhr, wenn beide Sender dann offiziell ihre neuen Namen tragen.

Edit: Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich an dieser Stelle noch mal klar hervorheben: Es geht mir nicht um die Qualität des Programms oder des Namens, weder des einen noch des anderen. Es geht mir darum zu verstehen, warum man eine etablierte Marke einfach von jetzt auf gleich einstampft. War sie gar nicht so etabliert? Weiß jemand, ob es dazu Erhebungen gibt?

10 Gedanken zu “Alter Wein in renovierten Schläuchen?

  1. Ich glaube, bei den 0,005% (! – Scherz) Hörerinnen ist es sowieso egal, wie man das nennt. Ich finde Kultur richtig, denn es ist der Oberbegriff. Wenn man freilich darin so ein halbherziges Irgendwas rumdudeln wird – ich sage nur: Tagesbegleitprogramm – dann kann man den Sender auch „mdr larifari“ nennen. 🙂 Figaro war früher Teil von mdr kultur und so passt es denn auch.

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    1. Möglicher Weise hatte ich meinen Ausgangspunkt gestern noch nicht so gut formuliert. Eine gewachsene Marke (Egal, wieviele das hören, nach 12 Jahren ist es nunmal eine gewachsene Marke) einfach so gegen eine andere auszutauschen, birgt immer Risiken. Daher interessieren mich die Beweggründe, völlig abseits davon, ob man nun den einen oder anderen Namen favorisiert oder mit der Qualität des Programms einverstanden ist. Im Gegenteil, eigentlich dürfte es doch noch mehr Protest hageln: Wenn das Programm so bleiben soll, wie es ist (siehe Pressemitteilung), die Qualität des Programms aber als nicht anspruchsvoll genug kritisiert wird, dann ist die Umbenennung in MDR Kultur doch noch viel mehr ein Kritikpunkt, wo doch Figaro noch eher nach „larifari“ klingt?

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      1. Verstehe. Ich sehe das mit dem Blick der allgemeinen Tendenz, der Vertreibung der Kultur aus dem Leben. Wenn dann auch noch vor 12 Jahren dies durchgesetzt wurde – Kultur ist schwer, Schwelle … – dann wird das zur selffulfilling prophecy. Natürlich ist auch der Begriff Kultur seit langem ein Kaugummibegriff, der von der Unternehmenskultur bis zum Kulturprogramm und dem Kulturdezernenten reicht.

        Aber Wegducken und Anbiedern scheint mir die schlechtere Lösung gewesen zu sein. Die Marke figaro musste man hinnehmen und sich damit arrangieren. Eine andere Wahl hatte man nicht. Es war auch damals keine Entscheidung des Publikums sondern von Frau Mohlsen und ihren BeraterInnen. Und umstritten!

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  2. Ja, ich verstehe diese Sichtweise. Aber da es nunmal da ist – warum dieser radikale Schnitt? Warum kein längerfristiger Übergang, bei dem man die momentane Hörerschaft darauf vorbereitet? Ein Wechsel muss ja, wenn er gerechtfertigt und gut durchdacht ist, nichts Schlechtes sein.

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    1. Radikal würde ich das nicht nennen. mdr kultur als Marke gab es hintenrum schon die letzte Zeit. Wie hätte man das denn längerfristig angehen sollen. Das, imho, wäre nur Verwirrender. Schöner schneller Schnitt. Und wer jetzt wegen „kultur“ sich nicht mehr angesprochen fühlen sollte, muss damit eben klar kommen. Leider kann da DAB kaum was helfen, weil die öffentlich-rechtlichen Sender, mit Ausnahme des BR nur ihr Popwellen einspielen. Ach, das waren Zeiten in den 90ern, als es per DSR die ganzen Kulturwellen in CD-Qualität zu hören gab, Aber das ist eine andere traurige Geschichte. http://www.kritische-masse.de/blog/content/radio-ohne-ende-das-ende-des-radios

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    1. Ich habe mal für die gearbeitet (www.contrapunktonline.de [2002-2003], da hießen die noch mdr kultur. Aber zur Frage konkret; Nein, geht ja auch gar nicht in Kleinmachnow, außer über das Netz. Ich bin ja leider Radiohörer, nicht Netzhörer. Ich bin eisenharter Deutschlandfunk-Hörer.
      Und Du, was hörst Du.

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      1. Ich habe in Sachsen noch verhältnismäßig viel Figaro gehört – in der Küche oder im Bad oder abends. Mittlerweile, nach einem Jahr in Niedersachsen, habei ich mir das Radiohören nahezu abgewöhnt, wenn, dann läuft auch bei mir DLF. Ich höre immer mal Sendungen nach. Aber beim Backen Figaro – daran hatte ich mich gewöhnt.

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  3. ich höre figaro, seit 3 jahren jeden arbeitstag 8-9 stunden. und möchte es nicht missen. dabei isses mir eigentlich egal wie der sender heisst, wenn der inhalt stimmt. – tut er. manchmal. meistens. aber verstehen tue ich den schnitt nicht – wozu? aber ich bin auch eher konservativ 😉

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