Rouladenbasierte Inflationsberechnung

Geschichten aus dem Irrenhaus, Teil II
Oder: Rouladenbasierte Inflationsberechnung
Gerade eben komme ich aus dem Haus, in dem ich mich gefühlt momentan mehr aufhalte als daheim, nämlich von Arbeit. Sieht man davon ab, dass wir gestern Abend eine Premiere hatten und diese (dank Catering und Premierenfeier sowie bei diesem Stück wenig Zeit für uns aber viel zu tun) ziemlich anstrengend war und somit heute noch einiges an Aufräumarbeiten zu tun blieb, war die heutige (ausverkaufte) Veranstaltung eigentlich ohne besondere Vorkommnisse – wäre da nicht der Umstand, dass mir bereits am Einlass eine Erleuchtung zu Teil wurde, welche ich auch an euch unbedingt weitergeben möchte. Es handelt sich genau genommen, zum Blog passend, um eine Erkenntnis: Die Inflationsrate in Deutschland beträgt 47%. Dies zumindest teilte mir, mit Verschwörerblick und ernster Miene, eine ältere Frau mit. Das anschließende Gespräch, um welches ich nicht umhin kam, ist zu schön, als dass ich euch nicht daran teilhaben lassen möchte. 
Die Situation spielt, wie bereits erwähnt, am Einlass, ca. 10 Minuten vor Vorstellungsbeginn. Der allgemeine Ansturm ist bereits abgeebbt, nur noch vereinzelt kommen Paare jeden Alters, um am Einlass völlig verblüfft festzustellen, dass sie ja hier bereits ihre Karten bräuchten. Überraschung. Die eben schon angesprochene ältere Dame jedoch kommt straffen Schrittes auf mich zu und präsentiert ihre Karte. “ ‚Sch bin näm’sch schon zum zweedn Ma bei der Voranschaldung hior da!“ Dass mir Menschen am Einlass irgendetwas erzählen ist nicht weiter verwunderlich und passiert ständig, also fragte ich einfach höflich, ob sie trotzdem noch ein Programmheft, welche es bei uns für Produktionen des Hauses kostenlos gibt, haben möchte. „Nu gloar! Gost’dor nüscht! Un was nüscht gost, nämor. A’r wasäwas gost, das gann blei’m wo dor Feffor wäggsd.“ Aaaaahja, dachte ich, jetzt nur nichts antworten. Die wirst du sonst nie wieder los. Letztendlich war es egal, ich hätte auch genau so gut etwas antworten können, denn ich hatte sie auch so an der Backe: Aus heiterem Himmel sagte sie nämlich zu mir: „Wissn Sie eischndelisch wie hoch de Inflazschion in Deitschland is? Ni? Siehmunförzsch Brozend!“ – „Meinen Sie. Seit wann denn? 1960?“ – „Nadürlisch ni, isch meine seid Neunznhundordneunzsch! Siehmunförzsch Brozend! Gönnse ausreschnen!“ – „Ach so?“ – „Nu gloar, mit en Kombschudor.“ – „Und wie kommen sie darauf?“ – „Nu gans eehfach: Wenn isch damals, Neundznhundordneunzsch noch mid mein‘ Mann, in d’n eenschlägschn Kneibn essn war, da had enne Rulahde nor Achtmarkfufftzsch gegost. De-Marg! Un heide? Guggnse sisch dor ma um! Min-dens-dens zehn Euro! Min-dens-dens! Isch saache Ihn‘! Wenni nor mehr!“ – „Aaah. Okay. Ich geh‘ jetzt nicht so häufig auswärts Rouladen essen.“ (Wenn ich vorher bereits ein leichtes Grinsen zu unterdrücken hatte, war jetzt der Moment gekommen, in welchem ich mir deutlich wehtun musste, um ein lautes Lachen zu unterdrücken.) „Nu! Un’die schdeggn dor alle undor eenor Degge. Isch saach Ihn‘ ma was (zu dem Zeitpunkt neigte sie sich bereits vertrauensheischend zu mirun nahm mich am Arm.): Guggnse sisch dor de Bangngn äma an! Die sin’dor alle bleide! Ham sie nor Geld offdor Bangk? Sparn Sie?“ – „Na, wer tut das nicht…?“ – „Sähnse? Die ham Se schon. Misch ni! Isch hab meine Gneede nimmehr offdor Bangk! Damid wolln die dor nur ihre Schuldn dilchn!“ – „Äh…“ – „Deudschland had so viele Schuldn… Jezze ma undor uns zween: In zwee, drei Jahrn, da simmor bleide. Gans Deudschland. Und isch hab mei Geld dann dorheeme. De näschsde Endwärdung kommd beschdimmd, isch sach’s Ihn‘! Un’s is nimmehr lange hin!“ – „Na wenn Sie das sagen…“ – „Wissn Se wie viele Endwärdungen mei Vador midgemachd had, hä? Där lieschd jetz‘ ooh‘ schon vier Jahr im Sarg. Vier Endwärdungen. Un‘ isch nu ooh’schon zwee-e. Von eens off zähne und von eens off fördz’sch. Un’de näschsde gommd ooh‘ bald. Isch sach’s ja: Siehmfördzsch Brozend. Deng’gnse an meine Worde!“
Sprach’s und rauschte davon. Dabei blieben mir noch so viele Fragen! Zum Beispiel: Welche Kneipen sind denn die „Einschlägigen“? Wie hat die Schalterbeamte reagiert, als sie ihr Konto auflösten und ihr mit Sicherheit die gleichen Märchen erzählt haben wie mir? Und Sind Sie die gleiche Durchgeknallte, die mir damals in der Erich von Däniken-Veranstaltung erzählt hat, wir würden eigentlich regiert werden von Außerirdischen, die direkt unter uns unterirdische Atomkraftwerke errichtet hätten?

11 Gedanken zu “Rouladenbasierte Inflationsberechnung

  1. Ehrlich gesagt interessiert mich das eher wo man beantragen kann das man seine Rente in Bar vorbeigebracht bekommen kann. Stell ich mir mal toll vor, ich bin Rentner und irgendso ein Hauptschüler kommt vorbei und bringt mir jeden Monat Kohle. Muahaha

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  2. Nun ja… gut, zugegeben sind ihre Argumente etwas schleierhaft nachzuvollziehen, aber sooo Unrecht hat die gute Frau leider nicht… so als kleiner „Expertentipp“ am Rande!
    Wenn ihr z.B. mal guck, dass die EU momentan eine starke Inflationssteigerung „plant“, um Griechenland aus der Misere zu ziehn… Und ich sag euch, was irgendwelche Politiker meinen „planen“ zu wollen, geht eh nach hinten los…

    Aber deswegen nimmt man noch nicht sein Geld vom Konto, das is das schlimmste, was man tun könnte. Würden das nur 5% der deutschen Bevölkerung tun, würde unser Bankensystem ganz schön ins Wackeln geraten und dann eröffnet sich die Spirale…

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  3. Setz schnell Deine Aluminiumkappe auf, sonst kontrollieren sie Dich auch bald!

    (Ich hatte letztens im Rheinischen des Abends sächsischen Besuch. Mit Mundart! Jawollja! Der ebenfalls anwesende Ostberlienr wußte natürlich nicht, was „budzsch“ bedeutet.)

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